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DIE FLEDERMAUS

Komische Operette in drei Akten von Johann Strauss
Text von Karl Haffner und Richard Genée

Heimathafen Neukölln
Premiere: 06.01.20

Fotos © Leopold Stoffels

Musikalische Leitung

Gregor Böttcher

Inszenierung

Tilman aus dem Siepen

Bühne

Frida Grubba

Kostüm

Dalia Hochbach

Dramaturgie

Konstantin Parnian 

Chöre

Jake Walsh

Licht

Ismael Schott

Gabriel von Eisenstein

Sotiris Charalampous

Rosalinde

Sonja Isabel Reuters

Frank

Christian Moellenhoff

Prinz Orlofsky

Ivon Mateljan

Alfred

Collin Schöning

Dr. Falke

Carlo Nevio Wilfart

Dr. Blind

Lennart Nielsen

Adele

Birita Poulsen

Ida

Avila Lorena Sarode

 

Chor und Orchester des Ensembles ConTutti e.V.

"Masken machen Leute"

"Wenn so die Zukunft der Operette aussieht, dann dürfen schon mal die Champagnerflaschen geköpft werden: Die studentische Projektgruppe 'ConTutti' bringt Johann Strauß' 'Fledermaus' auf die Bühne des Neuköllner Heimathafens - und denkt garnicht daran, sich über das Stück zu erheben. Sie macht den Klassiker nicht lächerlich, dekonstruiert ihn nicht und überblendet ihn nicht mit Videos oder soziologischen Texten. [...]

Bei allem Respekt vor dem Stück aber gelingt es dem 'ConTutti'-Team trotzdem, die Geschichte in die Gegenwart zu holen. Und zwar auf höchst unterhaltsame Weise. Mit dem Elan der Debütanten machen sie klar, dass es in der 'Fledermaus' nicht um vermeintlich gute alte Zeiten geht, sondern um Themen von ewiger Gültigkeit, nämlich um Geilheit und Eifersucht, sozialen Aufstiegswillen und vorgetäuschte Weltläufigkeit, Zwist unter Freunden und Entfremdung von Paaren.

Volkstheater im besten Sinne ist das Ergebnis, frisch, frech und musikalisch mitreißend. [...]

Das ist der schrillste Einfall von Regisseur Tilman aus dem Siepen: Er lässt ein Baby auftauchen, das zuerst einen Slapstick-Kampf mit seiner Nabelschnur vollzieht und dann aus der Bühnenwand die Plazenta herauszerrt, also den in blutroten Ganzkörperstrumpf-hosen gesteckten Chor. Hier ist der Ball bei Orlofsky nämlich ein Kostümfest. Dieser Kunstgriff funktioniert ebenso organisch wie die Idee, den Finalakt mit umgedrehtem Bühnenbild spielen zu lassen. Statt im Gefängnis kommt es also auf der Hinterbühne zum Showdown der Tenöre.“

Frederik Hanssen, Der Tagesspiegel

 

"Amüsemang in Neukölln"

"In der 'Fledermaus' gewesen. Haben uns köstlich amüsiert. Operette! Johann Strauß! Walzerseligkeit, oh weh. [...]

Und jetzt? Dass ich es großartig fand im Heimathafen Neukölln in Berlin, in einer Inszenierung der 'Fledermaus' durch die studentische Compagnie ConTutti, ist das eine Alterserscheinung? Oder kommt da Lebenserfahrung ins Spiel, um das Libretto jetzt witzig zu finden? Wenn zum Beispiel Rosalinde, deren Mann angeblich ins Gefängnis soll, vor der Einsamkeit erschauert mit den Zeilen: 'Zum Rindfleisch wie zur Suppe, zum Braten keinen Mann'? [...]

Nicht selten spottet diese Operette über die Oper und ihre Erzeugung der großen Gefühle. Hier ist jedes Gefühl eine Vortäuschung, jeder hat längst andere Pläne, Betrug schlingt sich um Betrug. 'Wenn er doch nur nicht singen würde', klagt Rosalinde, über Alfred, ihren heimlichen Liebhaber. Der tritt mit den langen blonden Locken ein wenig wie ein Neuköllner Biker auf, der eigentlich gerne Heldentenor wäre, aber auch über eine große Portion Selbstironie verfügt. Er serviert Rosalinde, das ist der Akt der Verführung, Spaghetti mit Tomatensoße auf seinem nackten Bauch, sie greift mit Messer und Gabel zu. Ein leicht kannibalisches Bild für die Gelüste des Fleisches.

Überhaupt hat der Regisseur Tilman aus dem Siepen nicht mit Bildern gespart, dem teils recht obszönen Libretto die Körperlichkeit auch zu lassen. Wenn freilich auch oft ins Groteske übersetzt. Den atemlosen Rhythmus der Musik, ihre Gassenhauer-Qualitäten, konnotiert er dann auch schon mal eindeutig als gut für den Sex geeignet. Gleich zur Ouvertüre schon befummelt sich Gabriel von Eisenstein unter einem vorgehaltenen Sofakissen, während seine Frau Rosalinde auf das aufsteigende Wasser in der Kaffeemaschine starrt. Eigentlich weiß man da schon ziemlich viel über diese Ehe.

Aber Tilman aus dem Siepen, noch Regiestudent an der Hochschule für Musik 'Hanns Eisler' in Berlin, verzichtet auch auf Inszenierungsmomente, die auf der Hand liegen. Er entschlackt das Brimborium der Operette. Dort etwa, wo es naheliegt, die große Festgesellschaft beim Prinzen Orlofsky im Walzer schwelgen zu lassen, schwingt hier ein Elefant, der knapp noch auf die kleine Bühne passt, seinen Rüssel im Walzertakt, der Rest der Festgesellschaft drischt mit Kochlöffeln auf Topfdeckel ein. Ein paar Nasen dreht diese Inszenierung schon dem Klischee von der Operette.

Nicht zuletzt haben Johann Strauß und die beiden Librettisten Karl Haffner und Richard Genée die hier zelebrierte Lebenslust mit einem Teppich von Langeweile unterlegt. Es ist der Überdruss der Wohlhabenden, der sie unglücklich macht und zur Inszenierung der Ausschweifung greifen lässt. Prinz Orlofsky, Gastgeber der Party im zweiten Akt, singt darüber ganze Lieder: 'Zwar langweil' ich mich stets dabei, was man auch treibt und spricht. Indes, was mir als Wirt steht frei, duld' ich bei Gästen nicht! Und seh’ ich, es ennuyiert sich jemand hier bei mir, so pack’ ich ihn ganz ungeniert, werf’ ihn hinaus zur Tür.' Bei der Premiere jedenfalls musste niemand rausgeworfen werden, weil er sich gelangweilt hätte."

Katrin Bettina Müller, taz

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